Mittwoch, März 19, 2008

Schwarz oder weiss, jedenfalls schaf

im schauspielhaus zuerich, im pfauen, war ich das letzte mal vor jahren: buechners danton in marthalers inszenierung. die inszenierung fasziniert mich noch in der erinnerung: man machte die augen zu und hoerte ein state-of-the-art-buechner-hoerspiel, man machte die augen auf, und sah eine gro�artige marthaler inszenierung, phanatstisch, grotesk, melancholisch und - politisch.

drumherum, mit dem spielplan in der hand, im foyer, am buffet und an den gaderoben hatte mich beschaeftigt, auf welches verhaeltnis des theaters zu seinem publikum (und umgekehrt) das schauspiel zuerich genau hinaus wolle. ich verstand, auch die absicht, und fragte mich amuesiert, ob es denn eben dieses geben werde, und wann.

ich beschreibe dies, um die rahmenbedingungen mir zur vergegenwaertigen, in denen ich moliere "tartuffe" in der inszenierung von hartmann vor ein paar tagen ansah. und klar interessierte es mich auch als vorrausblick auf das, was in wien kommen wird.

ueber dem eingang prangt jetzt eine videoinstallation im erker, in der man schauspielergesichter in aktion in gro�aufnahme sehen kann. das ist schon mal grundfalsch. close-up und theater haben nun wirklich nichts miteinander zu tun. theaterfoyer und so weiter: uninteressant. auch hier uebrigens einige videos laufender inszenierungen, in schlechter video'qualitaet'.
- lassen sie uns vom stueck sprechen.
- und immer erst das positive, damit die kritik dann auch angenommen werden kann.

die schauspieler spielen ordentlich, gut. die dorin, hausmaedchen, sogar grandios: da kann man mal sehen, wie man aus so einer komoedien-funktionsrolle und einem gereimten text mit selbstverstaendlichkeit gro�es tennis macht.
das wars dann auch schon mit dem positiven.

die schauspieler spielen ordentlich, mit ausnahme des sohn-darstellers, der spielt schlecht.

die dialogfuehrung ist langweilig, es wird in einem tempo durchgeverst.

der regie fehlt das vermoegen, die sich steigernde komik der situationen zu inszenieren. statdessen: regelmae�ige gags. manchmal lustig.

das buehnenbild ist wuchtig, teuer, und spielt keine rolle fuer die inszenierung. es steht auch in keinem zusammenhang mit der inszenierung.

die interpretation der rollen ist in den kleineren parts phantasielos: wir haben: einen punk, ein schicki-micki-maedchen, eine alkoholikerin, und einen gangsta im fat-suit. alles halbert, alles grabbelkiste.
- junggebliebene silberlocken inszenieren ihr zeitungswissen ueber jugendkultur: so schaut das aus.
(wie man, wenn man das will, eine dekadente familie zeichnet, kann man zum beispiel sich in chabrols "blumen des boesen" anschauen.)

die interpretation der beiden 'haupt'rollen - tartuffe und familienvater - ist sogar ein echtes problem fuer die inszenierung. beide fuer sich okay, aber was soll geschehen, wenn zwei empfindsame downtempo charaktere aufeinander treffen?

VOR ALLEM ABER, IMMER WIEDER VOR ALLEM ANDEREN: inhalt: null. nett. harmlos. tartuffe ist immerhin eine komoedie ueber religioesen wahn und religioese doppelmoral. was koennte man da nich alles. und das im diskursiven geflecht von konvertiten-debatte, creative-design, und ratzinger-begeisterung. wie ist die struktur religioeser argumentationen? wie verhaelt sich eine spa�gesellschaft zu 'fundamentalen' werten? wie sehen die jeweiligen gluecksversprechen aus? oder auch anders.

nicht-inhaltlichkeit macht es aber unkomisch. man gucke billy wilder, zb 'das apartment' und entleere es um die wirtschaftliche abhaengigkeit des angestellten. jeder boulevard ist inhaltlich.
- hei�t das was fuer wien?
- hoffe nicht