Montag, März 10, 2008

into the wild, out of what

- ich mag keine filme, in denen jemand verhungert.
- und ich habe selbst einen rucksack, und bin auch schon abgestürzt in weglosem gelände.

das nur als rahmen. into the wild.

einwände?
- viele, sehr viele.
- das magersüchtige bleiche wüstenmädchen, in shorts. welche sonnenschutzcreme spritzt die sich?
- der hauptdarsteller, dem man in jeder großaufnahme ansieht, daß ihm entweder sean penn vorgespielt hat oder er sich ALLE filme mit sean penn auf heavy rotation angeschaut hat
...

vor allem aber: irgendwo im dreck rumlaufen ERINNERT man vielleicht mit der unterwasserkamera - das erlebnis 'da draussen' zu sein (wo immer das auch sein mag) ist aber doch wohl eigentlich etwas anderes. into the wild ist das hochaufgelöste photoalbum zu einem ausgedehnten backpacker-urlaub, nur das hier statt 'europe on a shoestring' amerikas nationalparks stehen. wenn film irgendetwas mit der erfahrung, dem bewußtsein, oder dem phänomenen zu tun hat, dann geht into the wild daneben. so kann man das eben nicht machen.

- im übrigen halte ich es nicht für herrausragend, wenn jemand nur tolstoi und thoreau liest. eher traurig dumm.
- haben die auf dem new-england-colleges kein geld mehr für literatur in den bibliotheken?
- man muß sich das mal vorstellen: was würden sie von jemandem halten, der - sagen wir - sartre liest -
- und die schwarzen rollkragenpullover wieder schick macht.
- oder ernst jünger. und anfängt schmetterlinge zu sammeln.
- oder noch besser: vom zauberberg eingemummelt portwein trinkt und zigarren raucht.
- ist das jetzt nicht schon anti-amerikanismus? nicht-buch-kultur und so?
- ist jetzt tolstoithoreau und so eine markierung für einen herausragenden, äußerst intelligenten jüngling oder was? harvard für aussteiger?
- was ich aber schon gut fand, ist die visuelle gleichbehandlung von so called natur und den riesenhaften bauwerken und maschinen: staudamm, grenze, güterzug
- also doch nicht nur: unbehagen an der kultur
- outdoor als stockholmsyndrom des technischen verstandes


in seinem vorwort zum zweiten teil von 'untergrundkrieg' zieht haruki murakami die parallele zwischen den briefen des una-bombers (in den USA) und der weltsicht der (japanischen) AUM-sekte. ähnlich klopft reemtsmas aufsatz "wer ist caliban" das weltverhältnis der RAF-terroristen und der attentäter des 11. septembers auf seine ähnlichkeiten ab. grundtenor: ein sich durch die tat und die lebensverhältnisse reinigendes, spirituelles subjekt, das sich nicht mehr legitimieren braucht, weil die anderen, die realen, nicht-imaginierten massen, seinen state-of-mind (noch) nicht erreicht haben. terror in the mind of god. das träfe auch den protagonisten von 'into the wild'. es mag sein, dass die leute besser verhungern, als das sie terroristen oder sektenanhänger werden, oder auch nur protestanten. der 'kapitalismus als religion' (walter benjamin) scheint an bindunskraft verloren zu haben, und auf die 'sorgen und nöte' eines new-england-college-jüngelchens aus guter familie nicht mehr ausreichend antwort zu geben.

'into the wild' weicht solchen überlegungen vom typ: into the wild - out of what - aus: lieber weint jeder, der den buben auf dem weg begegnet, um ihn - weil er so anrührend und hübsch ist, und seinen weg gehen MUSS. und lieber kommt der junge am schluß, als es zu spät ist, noch zu einer sauberen mystischen erkenntnis, die ihn im - jämmerlichen, hier: tragischen - tod mit den seinen und allen verbindet.
- das die story dann auch noch den anforderungen eines drehbuchworkshops entsprechen soll: quest incl. gatekeeper und pi pa po.

der film will eine tragödie, einübung in die schicksalhaftigkeit. wie beruhigend. und wie schön die tollen bilder.

'i denied the rules, but the rules didn't deny me' heißt es in einem der songs aus dem soundtrack. diese art des humors im shakespearschen sinne, ist 'into the wild' fremd. schade - man hätte weiterkommen können. bis zum nächsten urlaub.